Lehrstelle fix – und jetzt? Tipps für die Übergangsphase

Gepostet 21.11.2025, Bildung Schweiz

Der Lehrvertrag ist unterschrieben – doch bis zum Start im Betrieb bleibt noch etwas Zeit. Diese Phase ist ideal, um sich gezielt vorzubereiten und praktische Einblicke zu sammeln. Wer diese Zeit clever nutzt, startet sicherer und selbstbewusster ins Berufsleben.

Besuche im Lehrbetrieb vor dem Lehrstart stärken Vorfreude und Teamgeist. Foto: Freepik
Besuche im Lehrbetrieb vor dem Lehrstart stärken Vorfreude und Teamgeist. Foto: Freepik

In der grossen Produktionshalle der Schreinerei Romer Wagner AG in Elsau liegt der Duft von Holz in der Luft. Hier arbeitet Nina Abt, lernende Schreinerin EFZ im zweiten Lehrjahr. «Ich wollte etwas Handwerkliches lernen und habe einiges angeschaut», erzählt die Lernende, die parallel zur Lehre die Berufsmaturitätsschule besucht. Auf der Suche nach der passenden Ausbildung schnupperte sie damals auch in der Romer Wagner AG. Während dieses Schnuppertages baute sie eine iPad-Ladestation aus Holz und ihr wurde sofort klar: «Ich will Schreinerin werden.»

In den darauffolgenden drei Tagen in der Schreinerei überzeugte sie weiterhin und erhielt schliesslich die Zusage für die Lehrstelle. «Ich war megaerleichtert, und es hat mich sehr gefreut», sagt sie. Ihr Ausbilder Dominik Derrer erinnert sich: «Unter den zahlreichen Jugendlichen, die sich beworben haben, war Nina besonders motiviert. Sie hatte sehr gute Noten vorzuweisen, das Zwischenmenschliche stimmte, und ich hatte ein gutes Bauchgefühl.»

Bei der Unterzeichnung des Lehrvertrags fragte Derrer Nina Abt, ob sie an einem Pilotprojekt teilnehmen wolle. Nina Abt stimmte zu und unterschrieb zusammen mit dem Lehrvertrag auch die Vereinbarung «Fit für die Lehre».

«Wir wollten das Ganze möglichst einfach und den Zeitaufwand gering halten, dennoch sollte ein optimaler Nutzen entstehen»

 

Sophie Gisler, Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Pädagogisches und Unterrichtsfragen im VSA

Das Projekt «Zäme für d’Lehr» ist eines von mehreren Teilprojekten des Programms «Volksschule Berufsbildung» (VSBB), das im Jahr 2019 von der Bildungsdirektion des Kantons Zürich lanciert wurde. Ziel von VSBB war es, die Schnittstelle zwischen Sekundarschule und Berufsbildung genauer zu betrachten und bei Bedarf zu optimieren

Bei «Zäme für d’Lehr» steht der Übergang von der 3. Sekundarklasse in die Berufsbildung im Fokus. Unter der Verantwortung des Volksschulamtes (VSA) haben das Mittelschul- und Berufsbildungsamt (MBA) sowie das Amt für Jugend und Berufsberatung (AJB) diesen Zeitabschnitt gemeinsam analysiert. «Es war ein partizipativer Prozess, an dem auch immer wieder Vertreterinnen und Vertreter von Berufs- oder Schulleitungsverbänden teilgenommen haben», erklärt Sophie Gisler, wissenschaftliche Mitarbeiterin für pädagogisches und unterrichtsbezogene Fragen im VSA.

Den Übergang sinnvoll gestalten

Bei einigen Schülerinnen und Schülern der 3. Sekundarstufe nimmt die Motivation für die Schule nach der Unterzeichnung des Lehrvertrags laut dem Ergebnis der Analyse ab. «Die Zeit bis zum Beginn der Ausbildung sollten die Jugendlichen sinnstiftend nutzen können», sagt Gisler. Die Ämter haben sich deshalb Gedanken darüber gemacht, welche Leistungen der künftige Lehrbetrieb erbringen soll und wie die Schulen Jugendliche besser auf die Lehre vorbereiten könnten. Ein Ansatzpunkt sahen die Beteiligten darin, nach dem Unterzeichnen des Lehrvertrags zwischen dem Jugendlichen und dem zukünftigen Lehrbetrieb eine verbindliche Basis zu schaffen.

Tipps, um die Übergangszeit optimal zu nutzen

  • Ziele festlegen: Überlege dir, was du bis Lehrbeginn erreichen möchtest – schulisch, praktisch oder organisatorisch.
  • Nutze deine Zeit sinnvoll: Nutze die Monate bis zum Lehrstart für Projekte, Praktika oder zusätzliche Lerninhalte.
  • Halte Kontakt zum Lehrbetrieb: Informiere den Betrieb über Fortschritte oder Fragen, so bleibst du gut eingebunden.
  • Halte deine Motivation hoch: Auch nach der Unterzeichnung des Lehrvertrags aktiv bleiben, um nicht nachzulassen.
  • Stelle Fragen: Nutze die Gelegenheit, dich über Abläufe, Erwartungen und Materialien zu informieren.
  • Zeige Eigenverantwortung: Halte Absprachen ein und zeige Initiative – das wird positiv wahrgenommen.
  • Halte die Balance: Schule, Freizeit und Vorbereitung auf die Lehre im Gleichgewicht halten.

 

Mit der Vereinbarung «Fit für die Lehre» halten der oder die zukünftige Lernende und der Lehrbetrieb gemeinsame Abmachungen fest. Unterzeichnet wird das Dokument zusätzlich von der Klassenlehrperson und den Eltern. «Jede Vereinbarung kann individuell gestaltet werden», sagt Sophie Gisler. «Wir geben lediglich das Konzept vor. Wir wollten das Ganze möglichst einfach und den Zeitaufwand gering halten, dennoch sollte ein optimaler Nutzen entstehen.»
In der Vereinbarung können beispielsweise Zielsetzungen für die Abschlussarbeit in der 3. Sekundarklasse festgelegt werden. So kann ein angehender Schreiner bzw. eine angehende Schreinerin im Rahmen dieser Arbeit ein Holzprojekt umsetzen.

Ebenso lassen sich zusätzliche Besuche im künftigen Lehrbetrieb, bestimmte schulische Kompetenzen oder ein Portfolio mit Themen zur künftigen Lehre als Ziele festlegen. Wie viele Ziele vereinbart werden, kann selbst festgesetzt werden. «Die Vereinbarung ist ein Hilfsmittel, um die Kooperation zwischen Schule, Lehrbetrieb und den Eltern zu fördern. Und die Jugendlichen sollen motiviert werden, die Übergangszeit aktiv zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen», sagt Gisler.

Erste Praxiserfahrung sammeln

In der Vereinbarung mit Nina Abt wurde festgehalten, dass sie ihren guten Notendurchschnitt beibehalten, für die schulische Abschlussarbeit ein Werkstück aus Holz anfertigen und zusätzlich eine weitere Woche in der Schreinerei mitarbeiten sollte. Den hohen Notenschnitt hielt sie ohne Schwierigkeiten. Für ihre Abschlussarbeit fertigte sie eine Halterung für Ski und Snowboards aus geleimten Spanplatten an. Das Werkstück stellte sie zu Hause her, sie informierte ihren zukünftigen Lehrbetrieb regelmässig per E-Mail über ihre Fortschritte und schickte ihm am Ende das vollständige Dossier der Abschlussarbeit. «Der Betrieb hat mir sogar angeboten, dass ich meinen Schulvortrag zur Abschlussarbeit zuerst vor dem Team testen könnte», erzählt die Lernende. Aus terminlichen Gründen kam dieser Probelauf jedoch nicht zustande.

Während ihrer letzten Einsatzwoche bei der Romer Wagner AG im Frühling vor Lehrbeginn war Nina Abt bereits aktiv im Betrieb tätig. «Das war megacool und hat mir sehr geholfen. Ich habe das Team besser kennengelernt und wusste bei Lehrbeginn schon, wie die Schreinerei funktioniert.»

Der Betrieb nutzte die Zeit ausserdem, um die Arbeitskleidung für die zukünftige Lernende anzupassen – T-Shirts sowie Hosen für Sommer und Winter. «Eine zweite Schnupperwoche kann den Einstieg tatsächlich erleichtern und auch die Vorfreude auf den Lehrbeginn steigern». So Ausbildner Dominik Derrer. Er ergänzt, es müsse auch die Abstimmung mit der Klassenlehrperson stattfinden: «Der Klassenlehrer war sehr kooperativ, als es darum ging, Nina nochmals eine Woche vom Unterricht freizustellen.»

Empfohlene Angebote

Das Pilotprojekt wurde im Schuljahr 2023/24 mit rund 20 Betrieben und 30 Jugendlichen durchgeführt und ist inzwischen abgeschlossen. Mitgemacht haben Betriebe und Lernende aus den verschiedensten Berufen – darunter Kaufmänner/Kauffrauen, Fachmänner/Fachfrauen Gesundheit, Schreiner/Schreinerinnen und Polymechaniker/Polymechanikerinnen. Auch das Verhältnis zwischen jungen Frauen und jungen Männern war nahezu ausgeglichen.

Die abschliessende Online-Evaluation zeigte, dass das Projekt von allen Beteiligten positiv aufgenommen wurde. Besonders geschätzt wurde die entstandene «Verbindlichkeit». Durch die Vereinbarung seien alle beteiligten Seiten motivierter gewesen und es habe einen Anlass gegeben, den Austausch zwischen Lehrbetrieb, Schule und Eltern aufrechtzuerhalten oder sogar zu intensivieren.

Zudem wurde der geringe Zeitaufwand und die einfache Handhabung des Formulars positiv bewertet. Einige Lehrbetriebe merkten jedoch an, dass es zu Beginn schwierig sein könne, konkrete Ziele festzulegen, wenn man die Jugendlichen noch kaum kennt.

Mehrwert der Vereinbarung «Fit für die Lehre»

Jugendliche...

… gewinnen frühzeitig Einblicke in den Lehrbetrieb

… bauen eigene Stärken gezielt für die Berufswelt aus

… erkennen Lernlücken und gleichen diese aus

… erhalten wertvolle Anregungen für die letzte Schulphase

Lehrbetriebe...

… bauen Vertrauen zu zukünftigen Lernenden auf

… fördern die Entwicklung der Jugendlichen bereits vor dem Ausbildungsstart

Lehrpersonen...

… motivieren Schülerinnen und Schüler für die letzten Monate in der Schule

… unterstützen selbstständiges Lernen

… arbeiten mit den Jugendlichen an praxisrelevanten Zielen für die Berufslehre

Eltern...

… begleiten die schulische Leistung ihres Kindes aktiv

… behalten einen guten Überblick über Fortschritte, Lehrbetrieb und Schule

 

Spielraum für eigene Lösungen

Die Veröffentlichung des Pilotprojektes «Zäme für d’Lehr» erfolgte im Frühjahr auf der Website der Bildungsdirektion. Dabei wurden verschiedene Zielgruppen vorgestellt, darunter der Verband der Sekundarlehrpersonen des Kantons Zürich, das Forum Schulführung des VSA, der Verband Zürcher Schulpräsidien sowie auch die Berufsverbände.

Ab Herbst 2025 sind Schulen und Lehrbetriebe dazu eingeladen, die Vereinbarung einzugehen. «Die Teilnahme ist freiwillig und gratis. Das Konzept soll offen bleiben und kann bei Bedarf angepasst werden», betont Sophie Gisler. Jedoch ist die Vereinbarung ist nicht rechtsverbindlich. Die vereinbarten Ziele sollen zwar während der 3. Sekundarklasse bis zum Ausbildungsbeginn erreicht werden, doch wenn dies nicht vollständig gelingt, darf dies nicht zum Verlust der Lehrstelle führen.

«Es ist kein grosser Zeitaufwand und kann helfen, dass man auch in der Schule etwas konzentrierter bleibt.»

 

Nina Abt, Schreinerin bei der Schreinerei Romer Wagner AG

Dominik Derrer bezeichnet die Vereinbarung als «eine gute Sache. Gerade im Zeitraum vom Herbst bis zum Lehrbeginn kann in diesem Alter sehr viel passieren. Die Vereinbarung kann tatsächlich helfen, dass der Übergang nicht so abrupt ausfällt, sondern fliessend ist.»
Im Anschluss meint er, dass sie nicht für alle Jugendlichen notwendig sei: «Bei Nina wäre die Vereinbarung nicht erforderlich gewesen. Sie war sehr motiviert und fokussiert und hat in der Schule weiterhin ausgezeichnete Leistungen gezeigt. Ich sehe den Mehrwert einer solchen Vereinbarung eher bei Jugendlichen, die in ihrer Berufswahl nicht ganz so sicher sind und bei denen die Gefahr besteht, dass sie schulisch etwas nachlassen könnten.»

Für Nina Abt war besonders wertvoll, dass der Kontakt zum Lehrbetrieb stets aufrechterhalten blieb. Schülerinnen und Schülern, die nach der Sekundarschule eine Lehre beginnen möchten, empfiehlt sie eine solche Vereinbarung sehr: «Es ist kein grosser Zeitaufwand und kann helfen, dass man auch in der Schule etwas konzentrierter bleibt.»

An diesem Morgen muss sie sich nun wieder ihrem aktuellen Auftrag widmen: Wandverkleidungen aus Eschenholz für ein Haus mit 18 Stockwerken mit der Maschine schleifen.

FAQ für Jugendliche

  • Was ist, wenn ich ein Ziel der Vereinbarung nicht erreiche?
    • Die Lehrstelle bleibt bestehen, die Ziele dienen der Orientierung und sind nicht rechtsverbindlich.
  • Muss ich wöchentlich Updates an den Lehrbetrieb senden?
    • Nein, die Vereinbarung ist flexibel.
  • Wie viele Ziele sollte ich mir setzen?
    • 1–3 realistische, erreichbare Ziele.

 

Infos Walter Aeschimann Quelle

Ähnliche Beiträge

Mehr zum Thema

Persönlichkeitsbildung
Unsere aktuellsten Beiträge