Lernen mit Virtual Reality

Gepostet 10.08.2023, Anna Epp

Technische Bildung für alle unkompliziert, intuitiv und kostengünstig zugänglich machen. Genau daran arbeitet das Start-up AtlasVR.

Die AtlasVR Gründer: Valentin Holzwarth, Christian Hirt und Joy Gisler. Foto: Ralph Rosenbauer
Die AtlasVR Gründer: Valentin Holzwarth, Christian Hirt und Joy Gisler. Foto: Ralph Rosenbauer

Wir haben mit Christian Hirt, AtlasVR Mitgründer, gesprochen. Das Gründertrio kennt sich mit der Entwicklung von Virtual Reality (VR) Applikationen bestens aus und schliesst eine Marktlücke. Technische Trainings in virtuellen Umgebungen ermöglichen, so lautet ihre Mission. 

Christian Hirt, was war eure Motivation, ein Start-up zu gründen und wie seid ihr auf eure Start-up-Idee gekommen? 

Christian Hirt: Nach mehreren Jahren der Grundlagenforschung zu den Themen der Interaktivität und Fortbewegung in Virtual Reality (VR), wollten wir 2017 ein greifbares Projekt angehen. Als Teil der Forschungsgruppe des Instituts für Werkzeugmaschinen und Fertigung an der ETH Zürich, lag es nahe, dass wir Anwendungsfälle in der fertigenden Industrie angehen würden. Immer wieder wurden wir nach dem Abschluss erfolgreicher Prototypen gefragt, wer denn nun so etwas auf industriellem Niveau entwickeln könnte und immer wieder mussten wir antworten, dass es nach unserem Wissen keine spezialisierten Umsetzungspartner für VR-Training gibt. Daraufhin beschlossen wir, dies in die eigenen Hände zu nehmen und begannen, unser Vorhaben in Form eines Start-ups aufzubauen. Die Forschungsgruppe um Prof. Andreas Kunz hat uns dabei massgebend unterstützt.

Was sind die wesentlichen Vorteile von AtlasVR, verglichen mit einer gewöhnlichen Aus- oder Weiterbildung?

Christian Hirt: Mit der AtlasVR Technologie können Trainingsprozesse in sicheren Umgebungen ohne Einbindungen der realen Elemente erklärt, kennengelernt und geübt werden. Somit entfallen zum Teil gewaltige Opportunitätskosten, da teures Equipment oder Rohstoffe immer gewinnbringend eingesetzt werden können. Vielerorts werden ausserdem Experten für Einweisungen und Schulungen rund um die Welt geschickt, und das, um teilweise die einfachsten Instruktionen zu vermitteln. Ein grosser Grundbaustein dieser Instruktionen könnte jedoch ohne grosse Aufwände skaliert und mittels VR gelernt und aktiv trainiert werden. Und dank der sehr hohen Mobilität von eigenständigen VR-Brillen können diese ohne weiteres per Post oder Spedition in kürzester Zeit rund um die Welt zu ihrem Bestimmungsort verschifft werden.

 

 

Und was sind die Schwierigkeiten?

Christian Hirt: Wäre VR-Training so einfach und unkompliziert, hätten wohl schon andere Unternehmer früher auf VR-Training gesetzt. Ohne teures Equipment kann heute die VR-Brille aus der Packung genommen werden und innert 30 Sekunden geht’s los. Dies ist nur dank der raschen Weiterentwicklung der technischen Grundlagen der VR möglich. Natürlich braucht es zusätzlich sehr viel Fingerspitzengefühl bei der Entwicklung von geeigneten Anwendungen für VR-Training, da ansonsten Trainierenden während der Ausbildung übel werden könnte, sogenannte Simulatorkrankheit. Dies haben wir allerdings durch unser erfahrenes Team fest im Griff und aus über 800 Studienteilnehmern musste niemand “evakuiert” werden.  

In welcher Weise kann AtlasVR in Ausbildungsstätten zur Anwendung kommen?

Christian Hirt: Wir haben bisweilen sehr sinnvolle Anwendungsfälle im Rahmen vom Studium, der Lehre, wie auch professionellen Schulungen auf spezifischen Geräten analysiert und den Einsatz der VR ökonomisch wie ökologisch nachgewiesen.

Virtual Reality in der Grundausbildung

AtlasVR spannt mit der suissetec zusammen und nimmt Einfluss auf die Spenglerlehre. Neu wird die Grundausbildung mit einem VR-Modul erweitert. Die Auszubildenden erlernen und trainieren das Abdichten von Flachdächern nun virtuell. Dies garantiert nicht nur mehr Flexibilität, sondern spart jährlich auch über 25 Tonnen Bitumenrohmaterial ein, welches weder verbraucht noch entsorgt werden muss.

 

Welches Feedback erhaltet ihr von Personen, die mit AtlasVR trainieren und wie geht ihr mit diesem um? 

Christian Hirt: Wir erhalten zurzeit äusserst positive Rückmeldungen! Trainierende sind erstaunt, mit welcher Leichtigkeit und Realitätstreue gearbeitet und trainiert werden kann. Sie sind häufig überrascht, wie weit die Technologie bereits ist und wie einfach sie Fähigkeiten erlernen und danach in der echten Welt einsetzen können. Wir sind natürlich stets bemüht, unser System dank Kundenfeedback zu erweitern und hören hier besonders aufmerksam hin.

Inwiefern hat euch euer Studium geholfen, dorthin zu kommen, wo ihr heute seid?

Christian Hirt: Wir drei Gründer durften respektive dürfen gerade unser Doktorat nebenbei abschliessen. Valentin Holzwarth hatte sich im Doktorat mit der Virtualisierung von industriellen Prozessen beschäftigt, mit Schwerpunkt auf Trainingsprozessen. Joy Gisler fokussiert sich direkt auf Training in VR. Ich forschte in der Grundlagenforschung der Interaktivität und Navigation in VR, wie sich also Menschen generell in virtuellen Umgebungen bewegen und fühlen. Entsprechend dürfen wir auf eine sehr breite Erfahrung in der Entwicklung von VR-Applikationen zurückgreifen und hatten über die letzten fünf Jahre ein solides Gespür entwickelt, welche Anwendungsfälle sinnvoll in VR aufgearbeitet werden sollen.

Empfohlene Angebote

 

Was war bisher die grösste Herausforderung und wie seid ihr dieser begegnet?

Christian Hirt: Wie in jedem Startup ist die grösste Herausforderung die Finanzierung. Neben dem Eigeneinsatz mit vielen Arbeitsstunden gilt es, unsere fünf Mitarbeitenden am Ende des Monats zu bezahlen. Dies konnten wir jedoch bislang mit Initialkunden und Investoren gut abdecken, allerdings ist und bleibt die Liquidität immer eine Herausforderung, welche sich weit vorne platziert. Denn auch wenn wir ein aussergewöhnlich tolles und einsatzfreudiges Team haben, auch unsere Mitarbeitenden müssen am Ende des Tages leben können. 

Wie sehen eure Zukunftspläne aus? 

Christian Hirt: In den nächsten Jahren möchten wir möglichst viele Lernende, Studierende und Auszubildende erreichen, um ihnen den Eintritt in technische Felder zu erleichtern, indem unsere Trainingslösungen auch auf zusätzliche Branchen erweitert werden. Gleichzeitig legen wir grossen Wert auf Nachhaltigkeit und werden auch weiterhin die Reduktion des ökologischen Fussabdrucks durch sinnvolle Anwendung der VR anstreben, damit Kosten für Rohmaterial und Reiseaufwand minimiert werden können. Um diese Pläne zu realisieren, lernen auch wir täglich etwas Neues und freuen uns, in den nächsten Jahren zu wachsen und neue Mitglieder in unserem Team begrüssen zu dürfen. 

Was möchtet ihr Personen mitgeben, die ebenfalls ein Start-up gründen möchten?

Christian Hirt: Wenn ihr eine coole Idee habt, go for it! Es gibt sehr viele Angebote, wodurch eure Ideen herausgefordert werden, wo ihr euch verteidigen müsst, und wo schlichtweg eure Ideen auf Herz und Nieren geprüft werden. Und wenn ihr nach wie vor von eurer Idee überzeugt seid und daran glaubt, dann versucht es. Es braucht Mut, Geduld, ein gewisses Mass an Leichtsinn, und natürlich viel Schweiss und Arbeit, aber das Erfüllen von Meilensteinen im selbsterarbeiteten Umfeld ist es allemal wert. Und wichtig, auch wenn man mal scheitert, startet auch trotzdem morgen wieder ein neuer Tag!

Unterstützung bei der Firmengründung

Sich vorab intensiv mit der Gründung und dem Geschäftsmodell auseinanderzusetzen, ist zeitintensiv, aber auf jeden Fall empfehlenswert. Dazu gehört beispielsweise eine Marktanalyse, ein Businessplan und der Entscheid für eine passende Rechtsform. Tipps für die Firmengründung findest du beim KMU-Portal des SECO.

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